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Umsatzsteuer 2013: Stehen private Musikschulen und Instrumentallehrer vor dem Aus?

Umsatzsteuer für Musikschulen?Zur Zeit sorgt das Jahressteuergesetz 2013 für reichlich Unruhe bei freien Musiklehrern und den Betreibern privater Musikschulen. Viele fürchten, dass die bislang mögliche Umsatzsteuerbefreiung für Musikunterricht abgeschafft werden könnte, wenn die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) beschlossen werden.

Damit würden Lehrer und private Schulen vor einem schwer lösbaren Problem stehen: Im Wettbewerb mit den (umsatzsteuerbefreiten) öffentlichen Musikschulen sehen viele keine Möglichkeit, die neu erhobene Steuer an ihre Kunden weiterzugeben. Lassen sie aber ihre Unterrichtsgebühren unverändert, mindern die 19% Mehrwertsteuer ihren Gewinn – was für die meisten Anbieter keine echte Alternative wäre und ihre Geschäftsmodelle radikal in Fragen stellen würde.

Angesichts dieser bedrohlich erscheinenden Situation hat der Nürnberger Steuerberater Patrick Spielmann eine Petition an den Deutschen Bundestag initiiert, die bislang rund 4.700 Unterzeichner gefunden hat und noch 6 Tage lang auf dieser Seite online unterstützt werden kann.

In der Petition, den eingegangenen Kommentaren und in vielen Rundmails zum Thema ist die Angst vieler Lehrerinnen und Lehrer um ihre ohnehin schon „auf Kante“ genähte wirtschaftliche Existenz zu spüren, vor allem in den Bereichen Musik und Tanz. Diese Sorgen sind mehr als verständlich – aber sind sie auch berechtigt? Ich habe versucht, mir einen ersten Überblick zu verschaffen, was eigentlich im Gesetzentwurf steht – und was das Juristendeutsch in die Praxis übersetzt bedeuten würde.

Zum Stand des Verfahrens:

Die Diskussion findet zur Zeit auf der Grundlage des Gesetzentwurfs statt, der am 6.3.2012 vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht wurde. Anfang April formulierte der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) mehrere Kritikpunkte, unter anderem auch zu den Veränderungen bei der Umsatzbesteuerung von Bildungsleistungen. Darauf folgende Auseinandersetzungen über die Besteuerung des Wehrsoldes verzögerten das Verfahren, und so konnte das Bundeskabinett erst am 23.5.2012 – statt wie geplant am 25.4. – den Gesetzentwurf beschließen. Am 28.6.2012 fand die erste Lesung im Bundestag statt, am 6.7. beschloss der Bundesrat eine umfassende Stellungnahme, die den aktuellen Stand der Debatte markiert. Die zweite und dritte Lesung im Bundestag sowie der parlamentarische Beschluss sind für den 26.10. geplant, am 23.11. soll das Gesetz dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt werden.

Was soll geändert werden

Im Kern geht es für Musikschulen und -lehrer um die Änderung des §4 Nr. 21 UStG, mit der die Bundesregierung bürokratische Verfahren vereinfachen und Europarecht in nationales Recht umsetzen will. Soweit die Absicht, die sicher kaum jemand schlecht finden wird – was aber ist genau beabsichtigt? Hier die geplante Änderung des genannten Paragrafen; umsatzsteuerfrei sollen künftig Einnahmen aus folgenden Bildungsleistungen sein:

[QUOTE]21. Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung (Bildungsleistungen) und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, und andere Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung sowie Bildungsleistungen von Privatlehrern. Eine vergleichbare Zielsetzung ist gegeben, wenn die Leistungen der Einrichtung geeignet sind, dem Teilnehmer spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Nicht befreit sind Leistungen, die der reinen Freizeitgestaltung dienen. Erbringt eine andere Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung Leistungen im Sinne des Satzes 1, die auch der Freizeitgestaltung dienen können, sind diese nur dann befreit, wenn die Einrichtung keine systematische Gewinnerzielung anstrebt und etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht entnommen, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden[/QUOTE]

Wo liegt das Problem?

Der Initiator und die Unterstützer der Petition interpretieren die geplante Neuregelung so, dass alle privaten „Musikschulen, Tanz- und Ballettschulen, sowie Schwimmschulen künftig keine Umsatzsteuerbefreiung mehr erhalten, wenn diese Schulen die Absicht haben Gewinne zu erwirtschaften“ (Zitat aus dem Petitionstext) – was natürlich für jeden zutrifft, der mit diesen Angeboten seinen Lebensunterhalt (und den beschäftigter Lehrer) bestreitet. Das wäre der steuerrechtliche Super-GAU, der, wie oben geschrieben, zur Zeit für reichlich Unmut und Empörung sorgt.

Aber es gibt auch andere Perspektiven: ver.di zum Beispiel lobt an dem Entwurf, dass die umständliche und oft auch teure behördliche Bescheinigung entfällt, mit der Privatlehrer und -schulen bisher ihre Umsatzsteuerbefreiung erreichen können; s. die Meldung auf mediafon.net vom 13.3.2012. Diese Sicht der Dinge erscheint mir persönlich am schlüssigsten. Umsatzsteuerfrei wäre demnach, wer Bildungsleistungen erbringt, die nicht der reinen Freizeitgestaltung dienen – und wenn die Unterrichtsangebote doch dem Bereich Freizeitspaß zuzuordnen sind, bleibt man nur USt-frei, wenn man keine Gewinne erzielen möchte und erzielt.

In diesem Sinne lese ich auch die Begründungen zum Gesetzentwurf, und sehe die Petition damit ziemlich ins Leere laufen – zumal sie m. E. nicht sehr zielführend formuliert ist. Ein Kommentator auf openpetition.de schreibt z. B., dass er dem Text kein eigentliches „Begehren“ entnehmen könne – ich würde sagen: es ist ziemlich unscharf formuliert.

Eine weitere Stimme: Der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. (DBFT) – bzw. sein Rechtsberater RA Hans-Jürgen Werner – hat eine eigene Petition eingereicht, die ab dem 17.8.2012 auch online zugänglich sein soll (wir bleiben dran & informieren). Kurz gefasst hält Werner die Gefahr einer Umsatzbesteuerung für größer als ver.di und geht davon aus, dass generell „private Unternehmer/innen zwangsläufig wieder umsatzsteuerpflichtig würden“ (Brief an die DBFT-Mitglieder vom 1.8.2012). Das zitierte Schreiben ist insofern lesenswert, als es sehr differenziert darlegt, welche Folgen die Umsatzbesteuerung im Einzelnen haben kann – bis hin zu der richtigen Feststellung, dass nicht jeder Musikschul-Betreiber zwangsläufig gegen eine solche Besteuerung sein muss, da sie immerhin auch zum Abzug der Vorsteuer berechtigt. Und das kann sich durchaus lohnen!

Mit dieser Übersicht belasse ich es erst einmal für heute – Diskussion ist willkommen, und wir werden das Thema natürlich bei violinorum.de weiter im Auge behalten.

Author:

Nils-Christian Engel ist begeisterter Amateur-Cellist

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